Aus Stammzellen neue Zähne entstehen lassen?

Frage

Vor ein paar Monaten habe ich einen Artikel über Zahnimplantate, gewonnen aus Stammzellen der Zähne (adulte Zellen), gelesen. Die Stammzelle wird implantiert, und nach einer gewissen Zeit wachsen Zähne. Dieses Verfahren soll in etwa drei Jahren praxisreif sein. Ich habe einige Zahnärzte gefragt. Diese wissen nichts von dieser Entwicklung. Können Sie mir etwas über den Stand der Forschung mitteilen? F. M. in S. 

Kurzantwort

Leider gibt es noch grosse, ungelöste Probleme, die es heute verhindern, dieses Vorgehen am Menschen erfolgreich durchzuführen. Die heutigen Versuche werden alle an Tieren durchgeführt. Auch beim Tierversuch gelingt es heute noch nicht, Zähne entstehen zu lassen. Nach Schätzung von Fachleuten dauert es noch mindestens 20 bis 30 Jahre, bis diese Technik einen klinischen Nutzen erreichen wird.

Der Wunsch wäre gross, aus Stammzellen von erwachsenen Menschen mit Hilfe von embryonalen menschlichen Zellen im Labor und / oder in Versuchstieren, Zähne wachsen zu lassen. Diese Zahnkeime würden zu einem bestimmten Zeitpunkt in den menschlichen Kiefer eingepflanzt, wo sie dann weiter- und einwachsen sollten. So wäre die Möglichkeit gegeben, natürliche „dritte Zähne“ wachsen zu lassen und wir könnten auf einen künstlichen Zahnersatz verzichten. 

Es gelingt heute mit Stammzellen von erwachsenen Menschen zahnähnliche Gebilde mit zahnähnlichen anatomischen Strukturen unter der Haut von Versuchstieren entstehen zu lassen. 

Ungelöste Probleme 

Leider gibt es noch grosse, bisher ungelöste Probleme, die es heute verhindern dieses Vorgehen auch am Menschen erfolgreich durchzuführen: 

Die heutigen Versuche werden alle an Tieren (häufig Mäusen) durchgeführt. Beim Menschen wachsen die Zähne ca. 70 x langsamer. Das heisst wir Menschen müssten vermutlich ca. 10 Jahre warten, bis ein Zahn in der Lücke vollständig ausgewachsen ist. 

Auch beim Tierversuch gelingt es heute (noch) nicht, Zähne entstehen zu lassen, die eine brauchbare Form aufweisen und die annähernd in die bestehende Lücke passen. Ob die Zahnform jemals gezielt gesteuert werden kann, ist heute noch völlig unklar. 

Wäre die Methode heute verfügbar, so wären die Herstellungskosten sehr gross, deutlich höher als die heute verfügbaren Methoden um eine Zahnlücke zu schliessen. 

Bis diese Technik einen klinischen Nutzen erreichen wird, falls überhaupt, wird es, nach Schätzung von Fachleuten, mindestens noch 20 bis 30 Jahre dauern. 

Falsche Hoffnungen 

Eine veröffentlichte wissenschaftliche Studie erwähnt üblicherweise am Schluss im Rahmen einer Diskussion, wozu die erarbeiteten Resultate gut sein könnten und welche Vorteile damit verbunden wären. Dieser Ausblick hat oft mit den momentanen, aktuellen Möglichkeiten wenig zu tun. Trotzdem werden die Ideen und die verlockenden Möglichkeiten oft sehr frühzeitig publiziert, was durchaus falsche Hoffnungen wecken kann. 


Autor: Dr. med. dent. Jürg Eppenberger
Erschienen in: Neue Luzerner Zeitung am 20. Dezember 2005