Wann macht es Sinn, Weisheitszähne ziehen zu lassen?

Frage

Der Zahnarzt hat bei der Untersuchung bei unserem Sohn (18) festgestellt, dass vor allem die unteren Weisheitszähne kaum Platz hätten und mit der Zeit Probleme machen würden, weil sie auf die vorderen Zähne drücken werden. Er schlägt deshalb vor, die Weisheitszähne zu entfernen, obwohl sie im Moment keine Beschwerden verursachen. Ist das Sinnvoll? Sollte man nicht warten? 

Kurzantwort

Wenn der Weisheitszahn genügend Platz hat und sich in die Zahnreihe einfügen kann, muss er nicht entfernt werden. Falls den Weisheitszähnen aber der Durchbruch nicht vollständig gelingt, bleiben sie teilweise vom Zahnfleisch bedeckt auf halbem Weg stecken. Entlang dem verborgenen Teil der Zahnkrone bilden sich Zahnfleischtaschen, die permanente Bakteriendepots darstellen. Da die Zahnreinigung dort nur ungenügend möglich ist, können die dort wachsenden Bakterien Infektionen und Entzündungen auslösen. 

Das Entfernen der Weisheitszähne ist ein zahnärztlichchirurgischer Eingriff, zu dessen Ausführung es eine Begründung (Indikation) braucht. Nicht jeder Weisheitszahn muss gezogen werden: Wenn der Weisheitszahn genügend Platz hat und sich normal in die Zahnreihe einfügen kann, muss er nicht entfernt werden. Die von Ihrem Zahnarzt angegebenen Begründungen sprechen für eine Entfernung. Warum? Falls den Weisheitszähnen der Durchbruch nicht vollständig gelingt, da sie keinen Platz finden oder in eine falsche Richtung wachsen (was bei Ihrem Sohn der Fall ist), bleiben sie teilweise vom Zahnfleisch bedeckt auf halbem Weg stecken. Entlang dem verborgenen Teil der Zahnkrone bilden sich Zahnfleischtaschen, die permanente Bakteriendepots darstellen. 

Infektionen und Entzündungen 

Da die Zahnreinigung dort nur ungenügend möglich ist, können die dort wachsenden Bakterien Infektionen und schmerzhafte Entzündungen auslösen. Im schlimmsten Fall entsteht ein lokaler Abszess mit Eiter, was überaus schmerzhaft ist und zu einem notfallmässigen Zahnarztbesuch zwingen würde. Die dann notwendige Entfernung des Weisheitszahnes ist durch die bereits vorhandene Infektion mit höheren Risiken behaftet als eine geplante Entfernung in gesunder Umgebung. Auch kann der Nachbarzahn durch die Bakterienansammlung und die schlechte Reinigungsmöglichkeit Schaden nehmen durch Karies und Bildung von Zahnfleischtaschen. 

Komplikationen sehr selten 

Wie bei jedem chirurgischen Eingriff ist auch das Ziehen eines Weisheitszahnes nicht ohne Risiko. Zur Abschätzung des Risikos macht der Zahnarzt immer vorgängig ein Röntgenbild. Bei einer korrekten Operationstechnik und einer genauen Diagnostik (vorhergehende Untersuchung und Abklärung) sind Komplikationen sehr selten. Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Risiko einer Nervverletzung am kleinsten ist zwischen dem 17. und dem 24. Lebensjahr. Somit ist es ratsam, falls notwendig, die Weisheitszähne vor dem 25. Altersjahr zu entfernen. Wenn die Wurzeln zudem noch nicht ganz ausgewachsen sind, lässt sich der Zahn einfacher entfernen. In der vorliegenden Situation scheint es ratsam, die Weisheitszähne gelegentlich zu entfernen und nicht zu warten, bis möglicherweise eine akute Notfallsituation entsteht. Die obligatorische Krankenversicherung übernimmt nur die Entfernung von sogenannten «verlagerten Zähnen mit Krankheitswert», was für die meisten Weisheitszähne nicht zutrifft. Daher lehnen die Krankenkassen die Kostenerstattung in der Regel ab. 

Autor: Dr. med. dent. Jürg Eppenberger
Erschienen in: Neue Luzerner Zeitung am 05. März 2012