Zahnbehandlung in Ungarn: Wo liegt der Haken?

Frage

Mein Zahnarzt hat mir mitgeteilt, dass er Implantate setzen müsse. Ein Implantat käme auf zirka 5000 Franken zu stehen. Zudem müsse nach den Vorbereitungsarbeiten mit einer Ausheilzeit von zwei bis drei Monaten gerechnet werden. Erst dann könne die Krone gesetzt werden. Nun frage ich mich, wieso dasselbe in Ungarn in zehn Tagen gemacht wird und erst noch billiger. Wo ist der Unterschied beziehungsweise liegt der Haken? D. B. in E. 

Kurzantwort

Anlässlich einer im Jahr 1999 durchgeführten Studie an der Universität Bern wurden 80 Prozent der ungarischen Arbeiten als mangelhaft beurteilt. Nur in ausgewählten Situationen können Implantate gleich nach dem Einsetzen mit Kronen versorgt werden. Das Risiko eines Misserfolgs ist jedoch höher. Falls nicht genügend eigener Knochen vorhanden ist, muss dieser aufgebaut werden. Die Einheilzeit verlängert sich dadurch auf vier bis sechs Monate.

Moderne Zahnimplantate werden in den Kieferknochen eingeschraubt. Anfänglich ist die Situation ähnlich wie bei Schrauben, die ins Holz eingedreht werden. Dieser rein mechanische Halt ist für den zahnmedizinischen Erfolg jedoch ungenügend. Innert 2 Monaten wachsen die Implantate aus Titan im Knochen (im Gegensatz zu Holz) derart fest ein, dass sie nicht wieder ausgeschraubt werden könnten. Werden sie während dieser Einheilzeit wiederkehrenden Belastungen ausgesetzt, die sie im Knochen mehr als 0.15 Millimeter bewegen, so ist die Einheilung gefährdet. Es käme dann zur Lockerung und die Implantate gingen verloren. Nur in ausgewählten Situationen können Implantate gleich nach dem Einsetzen (sofort oder nach wenigen Tagen) mit Kronen versorgt werden. Das Risiko eines Misserfolges ist jedoch höher. 

Bis sechs Monate Einheilzeit 

Um unliebsame Misserfolge zu vermeiden, muss jede Situation (Knochenausmass, Knochenqualität, Lage, Anzahl, Länge der Implantate und Verblockungsmöglichkeit usw.) vorgängig untersucht und beurteilt, das Risiko abgeschätzt und mit den Patienten besprochen werden. Falls nicht genügend eigener Knochen vorhanden ist, muss dieser vorgängig oder gleichzeitig aufgebaut werden. Die Einheilzeiten verlängern sich dadurch auf 4 bis 6 Monate. Diese wissenschaftlichen Regeln gelten momentan überall auf der Welt. Pauschale Anpreisungen für Implantate, die innert Tagen mit Kronen versorgt und belastet werden, haben eher mit Verkauf und Werbung und wenig mit fachlich seriöser Zahnmedizin zu tun. 

Wissenschaftliche Studie 

1999 wurde an der Universität Bern eine wissenschaftliche Studie durchgeführt. Untersucht wurden die Zähne von Patienten, die sich während eines kurzen Aufenthalts in Ungarn oder aber in der Schweiz behandeln liessen. Die untersuchenden Zahnärzte waren über das Herstellungsland nicht informiert. 80% der ungarischen Arbeiten wurden als mangelhaft beurteilt, davon gar 39% als zerstörend, gegenüber 26% mangelhaften Arbeiten aus der Schweiz und keinen zerstörenden. Die beiden höchsten Standards, ausgezeichnet und gut, konnten für ungarische Arbeiten nie vergeben werden, im Gegensatz zu 37% der Arbeiten aus der Schweiz. Die restlichen Arbeiten wurden jeweils als korrigierbar bewertet. Eine deutsche Studie aus dem Jahre 2004 kommt zu sehr ähnlichen Resultaten. Leider zeigen sich für die betroffenen Patientinnen und Patienten die zugefügten Schäden oft erste Jahre später, deshalb sind anfänglich viele mit den Arbeiten zufrieden. 

Autor: Dr. med. dent. Jürg Eppenberger
Erschienen in: Neue Luzerner Zeitung am 10. August 2005